frauJEDERmann 2021

Das berühmte Theaterstück „Jedermann“, geschrieben von Hugo von Hofmannsthal, kaum hundert Meter von der Rodauner Bergkirche entfernt, handelt vom Sterben des reichen Mannes.

Bei frauJEDERmann ist der reiche Prasser eine Frau: die erfolgreiche und geschäftige FRAU JEDERMANN. Die Rolle wird von drei Schauspielerinnen gespielt. (Das Stück ist doppelt besetzt. Das heißt es gibt sechs Frau Jedermann Darstellerinnen)

Keine Zeit

FRAU JEDERMANN bleibt keine Zeit mehr Dinge zu richten, zu reparieren. Falsches kann nicht mehr richtig gemacht werden. Also beginnt Frau Jederman mit dem Tod zu hadern, bittet um Zeit, um alles in Ordnung zu bringen. Keine Chance! Es bleibt am Ende alleine die Bitte um Verzeihung, sie kann nichts mehr wieder gut machen.

In der Rodauner Inszenierung wird mit kleinen Ausnahmen der ungekürzten Text von  Hofmannsthal aus dem Jahr 1911 gespielt.

Postbote mit neuer Aufgabe
Der Spielansager wird zum POSTBOTEN, der sich später in der Rolle des mächtigen TODES wiederfindet – doch Macht verführt. Erst im Dialog mit FRAU JEDERMANN erkennt der TOD seine Bestimmung. 

Die GUTEN WERKE symbolisieren das Innere des Menschen. Ein Ort, zu dem Frau Jedermann wenig Zugang hat und dem sie sich erst im Angesicht des Todes nähert.

Den Text von GOTT übernehmen die Armen und Schwachen und in ihren Händen stirbt FRAU JEDERMANN schließlich versöhnt. Ohne Gegenleistung wurde ihre Verzeihungsbitte angenommen. „Auge um Auge …“ scheint überwunden

Der bekannte „Jedermann“
Der „Jedermann“ ist in Österreich weltbekannt, und wer das Stück auf die Bühne bringt, muss sich mit 100 Jahren „Jedermann“-Tradition bei den Salzburger Festspielen messen. Also war schnell klar, dass man in Rodaun den „Jedermann“ ganz neu „andenken“ muss. Ein kleines Team um Marcus Marschalek begann, sich intensiv mit dem Text auseinanderzusetzen, und dabei wurde noch etwas deutlich: Man wollte den Text im Original und ungekürzt spielen. Wo aber sollte man dann neu ansetzen?

Geschlechtertausch
Bei „frauJEDERmann“ sind konsequent die Männer mitgemeint.
Dabei zeigte sich etwas Spannendes: Der Text des Herrn Jedermann, gesprochen von einer Frau, enthüllt neue Facetten dieser Figur.

Taffe Geschäftsfrau versus reicher Prasser
FRAU JEDERMANN ist keine reiche Prasserin, sie ist nicht geizig und auch kein Lebemensch, wie es der Herr Jedermann oft beschrieben wird. Frau Jedermann gibt der armen Nachbarin eine wertvolle Münze, sorgt sich um die Familie des Schuldners und lässt ihren Gästen auf eigene Kosten nur das Beste servieren.

Und wenn sie Belehrungen ausspricht, andere schimpft oder Bedienstete abkanzelt, dann ist das irgendwie sogar verständlich – sind doch alle Figuren auf der Bühne keine vorbildlichen Menschen und meinen es gar nicht gut mit Frau Jedermann. Die Bettlerin fordert forsch einen halben Beutel Geld, mit dem FRAU JEDERMANN eigentlich ein Grundstück kaufen möchte, und der Schuldner schuldet Frau Jedermann schon lange eine hohe Summe.

Sünde?
Es stellt sich die Frage: Was wird dieser FRAU JEDERMANN eigentlich vorgeworfen? Besteht ihre „Sünde“ vielleicht darin, sich nicht auf der Herzensebene auf andere einzulassen? Sich nicht in Liebe und Zugewandtheit öffnen zu wollen oder zu können? Welche Vorgeschichte könnte sie haben? Vielleicht eine toughe Geschäftsfrau, die schon in jungen Jahren Verantwortung übernehmen musste, Gefallen daran fand und dafür ein Talent besitzt – die einen Panzer entwickelt und Teile ihres Inneren abgekapselt hat.

„Der Jedermann ist als reicher Prasser oft weit weg von uns selbst“, erzählte Regisseur Marcus Marschalek von seiner Auseinandersetzung mit dem Text. „Aber als Frau Jedermann ist die Figur uns plötzlich näher – vielleicht näher, als uns lieb ist. In Frau Jedermann kann man sich leichter und schneller selbst entdecken und wird viel härter mit der zentralen Frage des Stücks konfrontiert: Hast du dein Leben gut gelebt?“

Ines Fischer als MAMMON
Ines Fischer als MAMMON

Was hat Frau Jedermann falsch gemacht?
Was lässt FRAU JEDERMANN in der Todesstunde hadern? Was hat sie falsch gemacht? Das Regieteam rund um Marcus Marschalek, bestehend aus der Schauspielerin und Regisseurin Katharina Hauer sowie dem irakischen Regisseur Hyder Saad, meint aus dem Text herauszulesen, dass Frau Jedermann immer alles am Laufen hält. Die Dinge müssen funktionieren, alles hat seine Ordnung. Zu kurz kommt dabei die Begegnung auf der Herzensebene. Frau Jedermann lässt sich nicht auf die anderen ein. Sie hat einen harten Panzer um sich geschaffen.

Die Guten Werke
Auf der Bühne sind von Anfang an die GUTEN WERKE präsent. In der Inszenierung von Marcus Marschalek symbolisieren diese das Innere von FRAU JEDERMANN. Kaum wagt sie es, dorthin vorzudringen. Der Müll verstellt den Blick, die Folie des Müllbehälters bleibt ein Spiegel, der nur das Äußere zeigt. FRAU JEDERMANN bleibt in ihrem Leben oft an der Oberfläche. Erst am Ende stellt sie sich ihrem Selbst, dringt in ihr Inneres vor. Die Begegnung mit den Guten Werken ist eine Begegnung mit sich selbst – für Marschalek die eigentliche Liebesszene des Stücks. Erst als Frau Jedermann sich selbst annimmt, durch all den Müll in ihrem Leben dringt, ihre Schwächen und ihre Endlichkeit akzeptiert, ist sie mit sich selbst versöhnt und kann auch andere um Verzeihung bitten. Der christliche Leitgedanke „Liebe deinen Nächsten wie dich selbst“ ist auch hier beim „Jedermann“ das leitende Motiv.

Frauenpower
Bei „frauJEDERmann“ wurden aber auch andere Rollen geswitcht: Es gibt statt der BUHLSCHAFT einen BUHLER, der ARME NACHBAR ist eine ARME NACHBARIN, und statt der VETTERN kommen COUSINEN zur Tafel der FRAU JEDERMANN. Auch der TEUFEL ist in Rodaun eine Frau. Viel Frauenpower eben!

Tradition der christlichen Mysterienspiele
Der „Jedermann“ steht in der Tradition der christlichen Mysterienspiele und greift einen jahrhundertealten Stoff auf. Früher zogen Mönche von Kirche zu Kirche und führten auf den Kirchplätzen Mysterienspiele auf. Daran soll die Anfangssequenz in der Rodauner Inszenierung erinnern. Alle Schauspielerinnen und Schauspieler betreten in Schwarz die Bühne und schüpfen erst dort in ihre Gewänder. Die eigens komponierte Musik von Film- und Theaterkomponist Ulrich Dallinger spannt einen Bogen durch die Jahrhunderte und führt in die Gegenwart.

Die Rodauner Inszenierung hat dem „Jedermann“ eine Ouvertüre vorangestellt: Gleich zu Beginn wird eine Frau mitten aus der Partystimmung gerissen und bricht zusammen. Das zentrale Thema des „Jedermann“: Mitten aus dem Leben gerissen zu werden – ohne Vorwarnung. Bereit?

Die Besetzung
Alle Rollen wurden bei dieser Inszenierung doppelt besetzt und es wurde abwechselnd als Team „rot“ und Team „grün“ gespielt

Frau Jedermann 1: Nela Jules, Peta Klotzberg
Frau Jedermann 2: Katharina Hauer, Johanna Hoblik
Frau Jedermann 3: Christina Kohlross, Stefanie Pauly
Gesell: Marcus Marschalek, Stefan Erhard
Postbote/Tod: Georg Fiala, Roland Stumpf
Arme Nachbarin/Gott: Bettina Schimak, Christa Korlath
Schuldner/Gott: Andreas Fischer, Gerhard Zach
Schuldners Kind/Gott: Felicitas Szabo, Leonie Miller
Schuldners Weib: Brigitte Holzer, Alice Zach
Mutter: Riki Stamminger, Isolde Cronenberg
Buhler: Sascha Stefanakis, Markus Gold
Dünne Cousine: Barbara Grün, Susanne Zrzavy
Dicke Cousine: Ulrike Pleyer, Stephanie Amsüss
Gute Werke: Sandra Szabo, Katja Lee
Glaube: Marion Prechtl, Christine Erhard
Mammon: Ines Fischer, Elisabeth Lederer
Teufelin: Vlasta Schantl, Alicia Eibensteiner
Köchin: Gabriele Engel, Petra Scheele

Weiters auf der Bühne in unterschiedlichen Rollen:
Christian Engel, Andrea Fischer, Sheila Gsöllpointner, Annemarie Rammel, Eddy Schlager, Kurt Tojner, Bettina Trojer, Gertraud Burjak-Wolf, Anna Jakobson, Marianne Költringer, Alexandra Kropf, Norbert Scheele.

Livemusik: „Pit a Pat“, „Duo Chansonette“, „Whiskey Beat“
Stückeinführung: Nela Jules, Sophie Nawara
Choreographie: Julia Griessbach
Musik: Ulrich Dallinger
Kostüm: Christa Korlath, Brigitte Holzer
Requisite & Inspizienz: Gerti Stumpf
Ton: Martin Murauer, Manfred Sarközi, Benjamin Schimak, Florian Zischka, Manuel Wagner
Lichttechnik: Wolfgang Nitsche, Rudi Anlanger
Regieteam: Marcus Marschalek, Katharina Hauer, Hayder Saad
Intendanz: Marcus Marschalek

Fotos von den Proben:

Coronapandemie

Mitten in den Vorbereitungen für die zunächst geplante Aufführung 2020 ereilte auch die frauJEDERmann Produktion die Corona-Pandemie. Geprobt wurde teilweise online via Zoom oder mit Masken.

Öffentliche Probe im Pfarrzentrum Rodaun